Schaffner schafft am Gesetz vorbei Jan12

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Schaffner schafft am Gesetz vorbei

Dass privat geführte Einrichtungen noch schlechter geführt sein können, als staatliche, zeigt der rumänische Schienenverkehr. Die Eisenbahn war schon immer eine der Institutionen, in denen Ehrlichkeit nicht besonders groß geschrieben wurde. Was sich der Schaffner des privaten Eisenbahnbetreibers Regiotrans auf der Strecke Temeswar – Großsanktnikolaus am Morgen des 30. Dezember 2017 erlaubte, enthielt so ziemlich alles Negative, was man sich bei einer solchen Berufsgruppe vorstellen kann. Annahme von Bestechungsgeldern, fehlendes Umweltbewusstsein sind die krassen und von weitem erkennbaren Vergehen, die der Mann sich erlaubte. Eine gewisse Zuvorkommenheit seiner bestechenden Klientel gegenüber wollte er sich nicht entgehen lassen. Wenn ihm nämlich der Bestechende eine zu hohe Summe reichte, gab er sogar Restgeld. Wäre er seinem Arbeitgeber genauso zuvorkommende Gegenüber gewesen, hätte er wohl allen eine Fahrkarte ausgehändigt.

Es ist nicht neu, dass Strecken aufgegeben oder der Zug nicht bis zur Endhaltestelle fährt, weil angeblich die Reisenden fehlen. Im Grunde fehlen jedoch nicht die Passagiere, sondern die verkauften Tickets. Der Schaffner, der am 30. Dezember auf erwähnter Strecke seinen Job ausübte, verkaufte so gut wie gar keine Fahrkarten, ließ sich aber fast an jeder Haltestelle von den neuen Reisegästen etwas Kleingeld in die Hand drücken.

Wenn Ehrlichkeit fehlt, sollte man es auch mit dem Umweltbewusstsein nicht so genau nehmen, dachte sich wohl der Mann. Obwohl in den Zügen dieser Eisenbahngesellschaft keine Müllbehälter angebracht sind, war der Zugverantwortliche auf Ordnung bedacht. Papiertaschentücher mit denen zuvor die richtig schmutzige Bank abgewischt ward, wollte der Mann nicht auf den Heizkörper sehen: „Lassen Sie mir das Papier nicht dort liegen, werfen Sie es zum Fenster hinaus“, hatte er eine momentane, geistreiche Idee. Es fragt sich, welchen Bezug solche Menschen ihrem gegenüber Arbeitsplatz haben, der wann immer unter diesem Umständen gestrichen werden könnte. Dass dabei sein Arbeitgeber rote Zahlen schreibt und der Staat Steuergelder einbüßt, darüber dürfte der Mann wohl noch nie einen Gedanken verschwendet haben.

Siegfried Thiel